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Innovatives Ökosystem für Fintech-Firmen erhalten

Die Schweiz wird als Standort für innovative Finanztechnologiefirmen immer bedeutsamer. Davon profitieren auch die Banken. Damit das Vertrauen in Zukunftstechnologien wie Blockchain nicht erschüttert wird, braucht es klare Regeln für die Marktteilnehmer.

Innovatives Ökosystem für Fintech-Firmen erhalten

In Zug ist man innovativen Technologien wie Blockchain nicht abgeneigt. Stadtpräsident Dolfi Müller präsentiert die städtische digitale ID. (Bild: Keystone)

Der Finanzplatz Schweiz hat sich zu einem global führenden Standort für innovative finanztechnologische Firmen (Fintechunternehmen) entwickelt. Insbesondere bei Blockchain und Kryptowährungen hat sich im sogenannten Crypto Valley in Zug eine einzigartige Szene etabliert. Von den aktuell 220 Fintechunternehmen in der Schweiz verfolgen rund 15 Prozent als Geschäftsmodell Dienstleistungen auf Basis der Blockchaintechnologie (siehe Abbildung 1).[1]

Zu dieser Entwicklung haben insbesondere die hervorragenden Rahmenbedingungen in der Schweiz beigetragen. Die Konzentration an Finanzwissen, technologischem und juristischem Know-how und sachverständigen Behördenvertretern bietet einen idealen Nährboden für innovative Geschäftsmodelle. Hinzu kommen ein pragmatischer Regulierungsansatz, die liberale Wirtschaftsordnung und die öffentliche Unterstützung von mehreren Regierungsvertretern. Dies hat die Schaffung eines einzigartigen innovativen Ökosystems ermöglicht, das gemäss der IFZ-Fintech-Studie der Hochschule Luzern weltweit führend ist. Bei aller Innovationsfreudigkeit bleibt das Vertrauen der Kunden in die Dienstleister jedoch eine unabdingbare Konstante für den wirtschaftlichen Erfolg.

Abb. 1: Anzahl Fintechunternehmen in der Schweiz nach Spezialisierung (2015–2017)




Quelle: IFZ-Fintech-Studie 2018

Blockchain: Der digitale Notar


Im letzten Jahr besonders angestiegen ist die Zahl der Fintechunternehmen mit Geschäftsmodellen auf Basis der Blockchaintechnologie. Grundsätzlich ermöglicht die Technologie, nicht nur Informationen, sondern auch Werte und deren Eigentum direkt zwischen verschiedenen Parteien über das Internet zu übertragen und zu verwalten. Die Blockchain funktioniert dabei wie ein digitaler Notar: Alle Transaktionen werden von zahlreichen Notaren im Netzwerk überprüft und verifiziert. Danach werden die Einträge in identischen Kopien auf verschiedenen Datenbanken dezentral gespeichert.

Die Technologie verspricht wesentliche Vorteile: Das System funktioniert ohne zentrale Clearingstelle und ist durch die dezentral gespeicherten Datensätze besser vor externen Angriffen geschützt. Die einzelnen Einträge sind zudem aufgrund ihrer gegenseitigen Verknüpfung im Nachhinein nicht mehr manipulierbar. Gleichzeitig werden aber etablierte Intermediäre und ihre bisherigen Geschäftsmodelle durch die Blockchain vor grundlegende Herausforderungen gestellt. Sie müssen deshalb stärker auf ihr Know-how in Finanzgeschäften, auf ihre breite Kundenbasis und auf das grosse Vertrauen, das sie geniessen, fokussieren.

Die Anwendungsmöglichkeiten für die Blockchaintechnologie in der Finanzbranche sind vielfältig. Dabei hilft die Technologie grundsätzlich in zwei Bereichen: bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen und bei der Effizienzsteigerung von bestehenden Prozessen und Systemen.

Kryptowährungen und ICOs


Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Ripple sind wohl die bekanntesten Anwendungsbeispiele der Blockchain. Damit können Zahlungen mit virtuellen Einheiten (Tokens) über das Internet durchgeführt und über eine virtuelle Geldbörse (Wallet) verwaltet werden. Zurzeit sind Kryptowährungen aber noch kein brauchbares Substitut für das traditionelle Fiatgeld. Denn die drei Grundfunktionen von Geld, als Zahlungsmittel, als Wertaufbewahrung oder als Wertmessung, erfüllen die heutigen Kryptowährungen nur bedingt. Die Transferkosten und die Transaktionsdauer der bisherigen Kryptowährungen sind deutlich höher als bei konventioneller elektronischer Überweisung. Die starken Fluktuationen innerhalb weniger Stunden machen sie zudem als Wertaufbewahrungs- und Wertmessungsmittel ungeeignet. Zurzeit arbeiten daher viele Herausgeber von Kryptowährungen daran, die Transaktionszeit und die Energiekosten markant zu senken.

Im Zusammenhang mit Kryptowährungen haben auch die Initial Coin Offerings (ICOs) deutlich zugenommen. Mit ICOs können Firmen öffentlich und unbürokratisch Kapital für unternehmerische Zwecke beschaffen, denen andere Finanzierungsmöglichkeiten bislang verwehrt blieben. Im vergangenen Jahr haben Start-ups in der Schweiz damit über 270 Millionen Schweizer Franken erhalten, was deutlich über den rund 130 Millionen Schweizer Franken durch traditionelles Risikokapital liegt (siehe Abbildung 2). Bei ICOs werden digitale Tokens herausgegeben, mit denen der Anleger unterschiedliche Rechte erwerben kann. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat in diesem Zusammenhang im Februar 2018 als eine der weltweit ersten Aufsichtsbehörden die unterschiedlichen Tokens hinsichtlich ihrer Funktion als Zahlungsmittel, Wertpapier oder Nutzungszugang für digitale Dienstleistungen systematisiert.[2] Damit legt sie die Grundlage für eine zukünftige Regulierung, die Rechtssicherheit schaffen und Missbräuchen vorbeugen soll.

Abb. 2: Kapitalbeschaffung von Start-ups nach Finanzierungsart, in Mio. Franken (2017)




Anmerkung: Bei Seed-Finanzierungen handelt es sich um kleine Anschubfinanzierungen mit Eigenkapital in der Gründungsphase eines Unternehmens. Nach der Gründung folgen dann sogenannte Series-A- und -B-Finanzierungen, die in der Regel grössere Beträge beinhalten.

Quelle: IFZ-Fintech-Studie (2018) / Die Volkswirtschaft

Effizienzsteigernde Anwendungen


Eine weitere Anwendung der Blockchaintechnologie sind sogenannte Smart Contracts. Diese ermöglichen die automatisierte Ausführung von zuvor definierten Vertragsbedingungen. Dadurch können beispielsweise Vermögenswerte für eine bestimmte Zeit zurückgehalten werden wie im Falle einer Eigentumsübertragung nach erfolgter Zahlungsabwicklung. Ausserdem kann so eine vertraglich festgelegte Auszahlung, zum Beispiel für eine Versicherungsleistung bei Eintritt eines Schadenfalls, ausgelöst werden. Smart Contracts gewährleisten damit eine hohe Erfüllungsgarantie zu niedrigen Kosten.

Auch grenzüberschreitende Zahlungen könnte die Blockchain effizienter, transparenter und günstiger durchführen. Dasselbe gilt für Handelsfinanzierungen und Lieferketten: Die heute noch vornehmlich papierbasierten Transaktionen sind meist schwerfällig und anfällig für Betrug. Basierend auf der Blockchain und mithilfe von Smart Contracts könnten wichtige Dokumente digitalisiert, der Güterverkehr laufend verfolgt und Betrugsversuche minimalisiert werden.

Einsatzmöglichkeiten gibt es auch bei der digitalen Identität. Seit letztem Jahr stellt die Stadt Zug ihren Einwohnern im Rahmen eines Pilotprojekts eine Blockchain-basierte digitale Identität zur Verfügung. Damit soll beispielsweise ein einfacherer Zugang zu allen elektronischen Behördendienstleistungen oder ein digitalisiertes Parking-Management ermöglicht werden.[3] Mit einem ähnlichen Ansatz könnten auch Legitimationsprüfungen bei Banken zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung effizienter und transparenter durchgeführt werden, indem redundante Datensilos abgeschafft und erfasste Daten bankenübergreifend verfügbar gemacht würden.

Herausforderungen für die Schweiz


Der Schweizer Finanzplatz befindet sich in einer guten Position, um innovative Blockchainanwendungen voranzutreiben. Es müssen aber auch die Risiken dieser neuen Technologie frühzeitig erkannt und angegangen werden. So steht die Technologie berechtigterweise in der Kritik, Geldwäscherei und sonstige kriminelle Machenschaften zu begünstigen. Dies erschwert den Aufbau von nachhaltigen Geschäftsbeziehungen zwischen Fintechunternehmen und etablierten Institutionen, da in der Schweiz strenge gesetzliche Regelungen gelten, die Finanzgeschäfte regulieren. Daher müssen sich Fintech-Start-ups bei der Eröffnung von Bankbeziehungen bewusst sein, dass sie eine Mitwirkungspflicht haben. Sie müssen zeigen können, dass sie sämtliche für ihr Geschäftsmodell relevanten Regelungen kennen und einhalten.

Klärungsbedarf besteht ausserdem bei der Anwendung geltender Geldwäschereigesetze bei Kryptowährungen, bei den technischen und rechtlichen Anforderungen an einen «digitalen Safe» im Rahmen der Schlüsselverwahrung, bei der steuerlichen Behandlung von Kryptowährungen und deren Handel und beim Anlegerschutz von Investitionen in Kryptowährungen.

Der Bundesrat hat den Handlungsbedarf ebenfalls erkannt und verschiedene Initiativen lanciert, um die regulatorischen Rahmenbedingungen weiter zu optimieren. Dazu gehört die Arbeitsgruppe Blockchain[4], die bis Ende 2018 klare Empfehlungen für die weitere Entwicklung des Themas Blockchain für den Finanzplatz Schweiz ausarbeiten wird.

Auch die Schweizerische Bankiervereinigung steht diesbezüglich in engem Kontakt mit der Branche und den Behörden. Das Formulieren von klaren Regeln wird mithelfen, das Vertrauen in die Technologie zu stärken. Dies stellt einen wichtigen Beitrag für einen innovativen, global führenden Finanzplatz dar, der zukunftsgerichtete Dienstleistungen erbringt und Arbeitsplätze schafft.

  1. Institut für Finanzdienstleistungen Zug (2018). IFZ FinTech Studie. []
  2. Finma (2018). Wegleitung für Unterstellungsfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs). []
  3. Siehe «Blockchain-basierte digitale ID für alle Einwohner jetzt erhältlich», Medienmitteilung der Stadt Zug vom 15. November 2017. []
  4. Siehe «Arbeitsgruppe Blockchain/ICO wird ins Leben gerufen», Medienmitteilung Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) vom 18.01.2018. []

Zitiervorschlag: Martin Hess (2018). Innovatives Ökosystem für Fintech-Firmen erhalten. Die Volkswirtschaft, 17. Mai.