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Die Stolperfallen von Social Media

Die Stolperfallen von Social Media

Welche ökonomischen und psychologischen Auswirkungen hat unser Verhalten in den sozialen Medien? Zerbrochenes Smartphone-Display. (Bild: Shutterstock)

Die Hälfte der Weltbevölkerung nutzt das Internet mittlerweile regelmässig.[1] Die Mehrheit dieser Personen verbringt von morgens bis abends mehr als ein Drittel ihrer Zeit online – davon viel auf Social Media. Mittlerweile suchen 56 Prozent der amerikanischen Bevölkerung auf sozialen Plattformen nach Jobs, ein Drittel findet den zukünftigen Lebenspartner auf einer solchen Plattform, und 64 Prozent aller amerikanischen Teens finden dort neue Freunde. Global gesehen nutzen 80 Prozent der Teenager Social Media, in der Schweiz sind es über die Hälfte. Entsprechend sagen 70 Prozent aller Teenager, sie fühlten sich ihren Freunden digital näher als physikalisch – was die Signifikanz der digitalen Transformation für unser persönliches Leben untermauert.

Kern der Funktionalität von Social Media ist das Teilen von persönlichen Inhalten. Wir teilen Fotos, Videos und Texte mit Freunden, Bekannten und Fremden. Persönliche Informationen über Familie, Freunde oder Ferien sind unter den beliebtesten Inhalten, die geteilt werden. Alleine auf Instagram werden täglich über 80 Millionen Fotos geteilt.

Trotz dieser hohen Relevanz gibt es bis anhin nur wenige Kenntnisse zu den Dynamiken und Konsequenzen des Teilens persönlicher Inhalte, weshalb wir uns im Rahmen unserer Grundlagenforschung damit beschäftigen. Unser Fokus liegt dabei auf den ökonomischen und psychologischen Auswirkungen des digitalen sozialen Verhaltens, denn beim Teilen persönlicher Informationen gibt es mehrere Stolperfallen zu beachten.

Eine Falle basiert auf der Erkenntnis, dass viele beim Teilen versäumen, sich die tatsächlichen Empfänger der Inhalte zu vergegenwärtigen. Man lädt die Kinderfotos auf Facebook, damit die Grosseltern diese sehen können, vergisst aber, mit wem man über die Kernfamilie hinaus sonst noch befreundet ist. Individuen haben falsche Vorstellungen von dem tatsächlichen Publikum ihrer Selbstdarstellung auf Social Media, was sich negativ auswirken kann, wenn sensible oder sehr persönliche Inhalte geteilt werden. In einem Beispiel wurde eine Frau entlassen, nachdem sie über ihren Vorgesetzten auf Facebook hergezogen hatte, ohne sich zu erinnern, dass dieser einer ihrer Facebook-Freunde ist.

Eine weitere Falle ist das sogenannt vergängliche Teilen via Apps wie Snapchat oder Instagram Stories. Bilder und Videos, die auf diesen Plattformen geteilt werden, sind nur für eine kurze Zeit verfügbar und entziehen sich so dem längerfristigen Zugriff durch andere. Es zeigt sich jedoch, dass die vermeintliche Vergänglichkeit der Daten zu noch häufigerem und riskanterem Teilen animiert.

Auch wirtschaftlich wird Social Media immer bedeutender: Dieses Jahr werden sich die Werbeausgaben auf diesen Kanälen weltweit auf 46 Milliarden Dollar belaufen. Angesichts der zunehmenden Relevanz von Social Media besteht ein Interesse, die Chancen und Risiken bei der Nutzung besser zu verstehen. Schliesslich gehören der Aufbau und der Erhalt von bedeutsamen sozialen Beziehungen zu den wesentlichsten menschlichen Bedürfnissen.

  1. Dieser Beitrag basiert auf dem SNF-Projekt Digital Lives: Understanding the Dynamics of Sharing Personal Information Online sowie auf Hofstetter, R.; Rüppell, R. und John, L. K. (2017). Temporary Sharing Prompts Unrestrained Disclosures That Leave Lasting Negative Impressions, Proceedings of the National Academy of Sciences, 201706913. []

Zitiervorschlag: Reto Hofstetter (2018). Die Stolperfallen von Social Media. Die Volkswirtschaft, 17. Dezember.