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Borromini behält den Wert

Besitzer von Banknoten der sechsten Serie können aufatmen: Das Geld kann zeitlich unbegrenzt bei der Nationalbank eingetauscht werden. Von der Gesetzesrevision profitieren auch Bund und Kantone.
Die Hunderternoten aus den Siebzigerjahren mit dem Porträt des Architekten Francesco Borromini sind unbeschränkt gültig. (Bild: Keystone)

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ersetzt die Notenserien alle fünfzehn bis zwanzig Jahre. Damit trägt sie der technologischen Entwicklung Rechnung und kann die Banknoten mit neuen Sicherheitsmerkmalen bestmöglich vor Fälschung schützen. Die sechste Serie, auf deren Hunderternote der Tessiner Architekt Francesco Borromini abgebildet ist, gab die SNB zwischen 1976 und 1979 heraus. 16 Jahre später folgte die achte Serie[1] – mit dem Bündner Bildhauer Alberto Giacometti auf der Hunderternote. Inzwischen bezahlen wir mit Noten der neunten Serie, die seit dem 12. September 2019 komplett ist.

Der Rückruf von Banknoten und der Umtausch zurückgerufener Banknoten sind im Artikel 9 des Bundesgesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) geregelt. Da das Gesetz nicht mehr zeitgemäss war, wird dieser Artikel per Anfang 2020 geändert.[2] Gemäss dem bisherigen Bundesgesetz können die Noten noch während 20 Jahren bei der SNB zum Nennwert umgetauscht werden. Nach Ablauf dieser Umtauschfrist ist eine Rückgabe allerdings auch bei der SNB nicht mehr möglich, und die betreffenden Noten verlieren ihren Wert. Den Gegenwert der nicht fristgerecht umgetauschten und damit wertlos gewordenen Banknoten muss die SNB dem Schweizerischen Fonds für Hilfe bei nicht versicherbaren Elementarschäden (Fondssuisse) zuweisen. Die Stiftung Fondssuisse leistet bei ungedeckten Schadenfällen im Falle von Naturkatastrophen wie Sturmschäden und Überschwemmungen finanzielle Beiträge.

Die 20-jährige Umtauschfrist wurde 1921 in der Schweiz eingeführt. Sie beruhte auf der Überlegung, dass Noten, die in dieser Frist nicht umgetauscht wurden, verloren gegangen oder zerstört waren. Seither haben sich die Umstände allerdings verändert. Nicht nur ist die Lebenserwartung deutlich gestiegen, auch die internationale Mobilität der Arbeitskräfte und der Touristen hat zugenommen. So kann beispielsweise davon ausgegangen werden, dass ausländische Gastarbeiter nach der Pensionierung mit Schweizer Banknoten in ihre Heimat zurückkehrten und diese nicht umgetauscht haben. Darüber hinaus werden Banknoten in physischer Form im In- und Ausland zur Wertaufbewahrung verwendet.

All diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass das Ausmass der nicht innert der Umtauschfrist eingelösten Banknoten und der dem Fondssuisse zugewiesene Gegenwert über die Jahre beträchtlich zunahmen. Hatten im Jahr 1978 die nicht umgetauschten Noten noch 39 Millionen Franken ausgemacht, erhöhte sich dieser Betrag anlässlich der folgenden Zuweisung im Jahr 2000, als die Umtauschfrist der fünften Serie ablief, bereits auf 244 Millionen Franken. Ende April 2020 endet – theoretisch – die Umtauschfrist für die sechste Serie. Dabei geht es um viel Geld: Ende 2018 waren noch immer Banknoten dieser Serie im Wert von gut einer Milliarde Franken im Umlauf.

Nicht mehr zeitgemäss


Im internationalen Vergleich stellt die Schweizer Umtauschfrist eine Ausnahme dar. So können zurückgerufene Banknoten im Euroraum unbefristet umgetauscht werden. Dasselbe gilt für Grossbritannien, die USA, Kanada, Japan und zahlreiche weitere Länder.

Eine Interpellation des Genfer SP-Nationalrats Manuel Tornare[3] warf 2016 deshalb die Frage auf, ob die 20-jährige Umtauschfrist noch adäquat sei. Der Bundesrat und die SNB kamen zum Schluss, dass die Umtauschfrist aus verschiedenen Gründen nicht mehr angemessen ist. Für viele Menschen ist Bargeld ein Wertaufbewahrungsmittel. Wer jedoch alte Banknoten besitzt, wird nach 20 Jahren quasi «enteignet». Betroffen sein dürften hauptsächlich Erben, wenn ein Nachlass alte Noten enthält, sowie Gastarbeiter, die in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind.

Aus rechtlicher und praktischer Sicht ist darüber hinaus die mit der Umtauschfrist verbundene Ungleichbehandlung von Banknoten und Münzen störend. Im Gegensatz zu Banknoten gibt es bei den Münzen keine entsprechende Umtauschfrist. Da Banknoten und Münzen heute, im Gegensatz zu 1921, eine gleichwertige Rolle im täglichen Zahlungsverkehr spielen, ist eine Ungleichbehandlung von Banknoten und Münzen nicht mehr gerechtfertigt.

Unbefriedigend aus Sicht des Bundesrates und der Nationalbank ist auch, dass der Gegenwert der nicht umgetauschten Banknoten vollumfänglich an den Fondssuisse fliesst, der nur ein eng definiertes Tätigkeitsfeld hat. Die mit der Umtauschfrist verbundene Ausschüttung der SNB an eine private Stiftung stellt eine historisch erklärbare, aber nicht durch die Verfassung gedeckte Gewinnausschüttung dar. Denn gemäss der Bundesverfassung muss der SNB-Gewinn zu mindestens zwei Dritteln an die Kantone gehen.

Streit um Verteilschlüssel


Der Bundesrat schlug dem Parlament im Februar 2018 vor, die Umtauschfrist ab der sechsten Serie aufzuheben. Als Konsequenz sah die Bundesratsvorlage zudem vor, dass künftig keine Zuweisungen der SNB an den Fondssuisse mehr erfolgen sollen. Den Wegfall dieser Zuweisungen erachtete der Bundesrat angesichts des seit der letzten SNB-Zuweisung im Jahr 2000 konstant gebliebenen Vermögen des Fonds als verkraftbar.

Im Zuge der parlamentarischen Beratungen stiess allerdings gerade dieser mit der Aufhebung der Umtauschfrist verbundene Wegfall der SNB-Zuweisungen auf starken Widerstand. Über das gesamte Parteienspektrum hinweg bestand ein weitgehender Konsens, dass die SNB zu einem bestimmten Zeitpunkt weiterhin den Gegenwert der nicht umgetauschten Banknoten auszahlen solle, wenn auch nicht zwingend vollumfänglich an den Fondssuisse.

Neben dem Wegfall der Zuweisungen betraf eine weitere Kritik, die insbesondere von den Mitte-links-Parteien (SP, Grüne sowie Teile der CVP) geäussert wurde, die Sorge, dass die Aufhebung der Umtauschfrist kriminelle Aktivitäten wie Fälschungen, Geldwäscherei oder Steuerhinterziehung begünstigen könnte. Der Bundesrat erachtete dies jedoch als unwahrscheinlich. Die Aufhebung der Umtauschfrist würde nämlich nichts daran ändern, dass die Noten sechs Monate nach dem Rückruf nicht mehr als Zahlungsmittel gelten, sondern nur noch bei der SNB umgetauscht werden können, die deren Echtheit und Herkunft prüft.

Vier Fünftel für Bund und Kantone


Nach längerem Ringen um eine mehrheitsfähige Lösung einigten sich die Räte im Juni 2019 darauf, die Umtauschfrist für zurückgerufene Banknoten ab der sechsten Banknotenserie und für alle nachfolgenden Serien aufzuheben.[4] Damit wird die Praxis der Schweiz an die der wichtigsten Industrieländer angepasst. Die Bevölkerung hat die Gewähr, dass auch zurückgerufene Noten jederzeit bei der Nationalbank umgetauscht werden können und ihren Wert behalten.

Zudem wird mit der vom Parlament verabschiedeten Revision des Bundesgesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel ein neuer Verteilschlüssel festgelegt: Die SNB schüttet neu nach 25 Jahren 90 Prozent des Gegenwerts aus. 10 Prozent des Gegenwerts stellt sie zurück, um die Umtauschpflicht erfüllen zu können. Dabei kommt der Ausschüttungsbetrag künftig nur noch zu einem Fünftel dem Fondssuisse zugute. Die restlichen vier Fünftel gehen im Verhältnis ein Drittel / zwei Drittel an den Bund und die Kantone, analog dem Verteilschlüssel der regulären SNB-Gewinne.

Abschliessend lässt sich sagen: Durch die Aufhebung der Umtauschfrist werden die mit ihr verbundenen Nachteile beseitigt, insbesondere der Umstand, dass Banknoten auf einen Schlag wertlos werden. Durch die geänderte Regelung der SNB-Zuweisungen kann verhindert werden, dass ein einzelner Empfänger, der Fondssuisse, im Übermass alimentiert wird. Der neue Verteilschlüssel liegt zudem näher an der von der Bundesverfassung vorgesehenen Verteilung der regulären SNB-Gewinne.

  1. Die siebte Serie war eine Reserveserie, die nie in Umlauf gesetzt wurde. []
  2. Gemäss Bundesratsbeschluss vom 13. November 2019. []
  3. Ip. Tornare 16.3323 «Umtausch alter Banknoten: Aufhebung der Frist von 20 Jahren in Artikel 9 Absatz 3 WZG». []
  4. BBl 2019 4499 vom 2. Juli 2019. []

Zitiervorschlag: Frank Schmidbauer, Martin Baur, (2019). Borromini behält den Wert. Die Volkswirtschaft, 13. November.