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Personalisierte Therapien sind sehr kostenintensiv. Es braucht daher ein neues, an den Behandlungserfolg gekoppeltes Preismodell.
Christophe Kaempf, Mediensprecher, Santésuisse, Solothurn

Standpunkt

Die Coronavirus-Pandemie hat die gesundheitspolitische Agenda auf den Kopf gestellt. Dabei verzögerte sich auch die Eröffnung der Vernehmlassung zu kostendämpfenden Massnahmen: In einem zweiten Massnahmenpaket wollte der Bundesrat verschiedene Modelle für die Übernahme von Medikamentenkosten prüfen, wobei die teuersten Präparate im Vordergrund standen. Eine solche Analyse bleibt nach wie vor unabdingbar.

In den letzten Jahren kamen immer stärker individualisierte Therapien auf den Markt. Grundsätzlich ist dieser Trend zur personalisierten Medizin, insbesondere zur Behandlung seltener Krankheiten, erfreulich. Allerdings sind auch Bedenken angebracht, denn die neuen Medikamente sind oftmals extrem teuer. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass diese Präparate den finanziellen Druck auf das Krankenversicherungssystem weiter erhöhen werden. So haben sich die Kosten von Krebsmedikamenten, die zulasten der obligatorischen Grundversicherung gehen, in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Sie stiegen von jährlich 580 auf 935 Millionen Franken.

Auch der Absatz von Medikamenten, die zwischen 10’000 und gut 100’000 Franken kosten, nahm in diesem Zeitraum um jährlich mehr als 10 Prozent zu. Bei der Hälfte davon handelt es sich um Krebsmedikamente, die zweistellige Zuwachsraten aufweisen. Der Krankenkassenverband Santésuisse rechnet bei Medikamenten ab 10’000 Franken mit Zusatzkosten von rund 200 Millionen Franken pro Jahr.

Solidaritätsprinzip gefährdet

Diese Zuwachsraten sind in zweifacher Hinsicht problematisch: Zum einen haben sie für die Krankenversicherer und damit auch für die Versicherten immer höhere Kosten zur Folge – zum andern ist die Wirksamkeit dieser Medikamente nicht in allen Fällen nachgewiesen.

Santésuisse will unbedingt vermeiden, dass der Zugang zu bestimmten Medikamenten preisbedingt eingeschränkt werden muss, wie dies in anderen Ländern der Fall ist: Jegliche Beschränkung des Zugangs zu kostenintensiven Behandlungen würde das Solidaritätsprinzip untergraben, das die Grundlage des Schweizer Krankenversicherungssystems bildet. Gleichzeitig muss verhindert werden, dass sich die Prämienzahlenden an der Finanzierung von Therapien beteiligen müssen, deren Nutzen für die Patienten nicht garantiert ist.

Neue Modelle für die Kostenübernahme, die den Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit uneingeschränkt Rechnung tragen, sind unerlässlich. Gemäss dem Krankenversicherungsgesetz müssen diese Voraussetzungen bei jeder Leistungsabgeltung erfüllt sein.

Denkbar wäre etwa ein Kostenerstattungssystem, das an den Behandlungserfolg gekoppelt ist («pay for performance»). Dieses würde beispielsweise für Medikamente gelten, deren Preis über einer Schwelle von 50’000 Franken pro Jahr liegt. Im Rahmen dieses neuen Systems würde die obligatorische Grundversicherung die Kosten von Arzneimitteln nur übernehmen, wenn der Patient geheilt ist oder bedeutende positive Therapiewirkungen nachgewiesen sind.

Zitiervorschlag: Christophe Kaempf (2020). Standpunkt: Teure neue Medikamente. Die Volkswirtschaft, 22. Juni.