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Der Schweizer Bauernverband überzeugt mit Argumenten, Glaubwürdigkeit und Emotionen – auch in den sozialen Medien.
Martin Rufer, Direktor Schweizer Bauernverband, Brugg AG

Standpunkt

Ein Influencer ist eine Person, die andere beeinflusst. Die Grundmechanismen des «Beeinflussens» sind seit Jahrtausenden die gleichen. Zu allen Themen gibt es verschiedene Sichtweisen. Ein Influencer versucht andere Menschen von seiner zu überzeugen. Das gilt für Produkte, aber auch politische Positionen. Klassische Influencer in der Politik sind die Lobbyisten. Der Schweizer Bauernverband ist eine typische «Influencer-Organisation», die sich für die Anliegen der einheimischen Bauernfamilien einsetzt. Das Überzeugen ist eine unserer Hauptaufgaben.

Dank unserer basisorientierten Struktur haben wir zahlreiche Influencer auf allen politischen Ebenen – in den Gemeinden, Kantonen sowie im Stände- und Nationalrat. Schlussendlich sind alle 50’000 Bauernfamilien Influencer in eigener Sache. Besonders dann, wenn sie über die Direktvermarktung oder agrotouristische Angebote mit der Bevölkerung den Austausch pflegen. Das breite Netzwerk ist eine unserer Stärken, eine weitere ist unsere gute Vertretung im nationalen Parlament. Wenn Bäuerinnen und Bauern selbst im National- oder Ständerat sitzen, haben sie im persönlichen Kontakt und Gespräch die besten Chancen, ihre Kolleginnen und Kollegen mit guten Argumenten für ein Anliegen der Landwirtschaft zu gewinnen. Dies ist derzeit beispielsweise bei der kontraproduktiven Trinkwasserinitiative der Fall.

Jeder kann ein Influencer sein

Insofern hat sich die klassische Lobbyarbeit in den letzten 124 Jahren seit unserer Gründung kaum verändert. Die Gesellschaft und ihr Informationsverhalten hingegen schon. Früher informierte sich die Bevölkerung über die klassischen Medien wie Fernsehen, Radio und Zeitungen. Ein guter Kontakt mit den Medienschaffenden war für das Lobbying essenziell. Das ist heute noch so, nur hat sich daneben mit den sozialen Medien ein Paralleluniversum entwickelt: Auf Facebook, Instagram, Twitter oder Tiktok kann es jede und jeder zu nationaler oder gar internationaler Bekanntheit bringen und so zum Influencer werden. Informationen (auch Fake News) können sich so innert Stunden über den Globus verbreiten. Für den Schweizer Bauernverband haben sich damit neue Möglichkeiten eröffnet.

Seit mehr als zehn Jahren sind wir auf Facebook mit drei verschiedenen Kanälen aktiv und fast so lange auf Twitter, Youtube und Linkedin. Auf Instagram findet man uns seit etwa einem Jahr. Diese Social-Media-Kanäle erlauben es uns, den direkten Dialog mit der Bevölkerung zu pflegen. Eine spezielle Bedeutung hat Twitter. Darauf tummeln sich vor allem Medienschaffende, Politiker und Exponenten von nationalen Organisationen, also wichtige Stakeholder. Auf Twitter haben wir die Möglichkeit, die Diskussionen zwischen diesen mitzuverfolgen und die generelle «Temperatur» zu messen: Wir erfahren die jeweiligen Argumente, können uns wappnen, mitreden oder Themen lancieren. Wer die sozialen Medien nutzt, kennt auch deren Schattenseiten wie den zugespitzten Kommunikationsstil. Dennoch überwiegen für uns die Vorteile. Diese neuen Chancen wollen wir nutzen.

Zitiervorschlag: Martin Rufer (2020). Standpunkt: Neue Chancen nutzen. Die Volkswirtschaft, 21. Oktober.