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Der Bundesrat scheut im Rohstoffsektor vor konkreten Massnahmen zurück. Nötig wären Taten – zum Beispiel in Form einer Rohstoffmarktaufsicht.
Andreas Missbach, Mitglied der Geschäftsleitung, Fachleiter Rohstoffe, Public Eye, Zürich

Standpunkt

Ende April hat der Bundesrat über die Umsetzung der Empfehlungen im Rohstoffbericht 2018 rapportiert. Greifbare Resultate sucht man vergeblich. Zugegeben, die Zivilgesellschaft wäre auch bei einer vollständigen Umsetzung der Empfehlungen nicht zufrieden, denn diese waren in Sachen Menschenrechte, Umwelt und Korruption äusserst ambitionslos.

Zu den wenigen konkreten Instrumenten, die im Bericht von 2018 genannt wurden, gehört der Leitfaden für die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten im Rohstoffhandel. Der rapportierte «Fortschritt» beschränkt sich nun auf die Zahl der verteilten Papierkopien und darauf, dass eine Website dazu aufgeschaltet wurde. Da der Bund ganz auf freiwillige Umsetzung der Sorgfaltspflichten setzt, wären nach drei Jahren Angaben darüber, welche Firmen sich überhaupt auf diesen Leitfaden beziehen, mehr als überfällig. Denn der Handlungsbedarf ist gross.

So kommt eine im März 2021 veröffentlichte Studie der Responsible Mining Foundation, deren Resultate im Umsetzungsbericht gar nicht erwähnt werden, zum Schluss: «Die Sorgfaltsprüfung der Unternehmen in Bezug auf Risiken von Menschenrechtsverletzungen, illegalen Finanzströmen und Umweltauswirkungen ist oft sehr begrenzt.» 10 der 25 untersuchten Firmen stammen aus der Schweiz und sind Mitglied der Swiss Trading and Shipping Association (STSA).

Ein weiteres Fazit dieser Studie ist: Transparenz fehlt in der Rohstoffbranche grundsätzlich noch immer. Dies gilt nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für den Bund, obwohl das Bundesamt für Statistik stolze siebeneinhalb Jahre nach dem ersten Rohstoffbericht wenigstens endlich die Zahl der Arbeitsplätze im Sektor klarstellte: 9800. Weshalb die STSA flugs ihre Website korrigieren musste, hatte sie doch jahrelang mehr als das Dreifache behauptet.

Kopf in den Sand

Gänzlich unverständlich ist es, dass der Bericht mit keinem Wort die zahlreichen strafrechtlichen Untersuchungen, Schuldeingeständnisse und Strafbefehle erwähnt, in welche die Schwergewichte des Schweizer Rohstoffhandels in den letzten Jahren verwickelt waren. Dabei vermeldete der Bundesrat 2018, dass die Botschaften in rohstoffreichen Ländern oder Handelszentren die Medienberichte und die öffentliche Debatte verfolgen sollen, um mögliche Reputationsrisiken für die Schweiz frühzeitig zu erkennen. Entsprechend relevant wäre, was aus Brasilien, Ecuador, Mexiko, der Elfenbeinküste, den beiden Kongos, Grossbritannien und den USA in die Berner Zentrale gemeldet wurde. Denn alle diese Länder sind von Korruptionsverfahren gegen Schweizer Rohstoffkonzerne betroffen. Bern, we have a problem!

Diese Realität und die Untätigkeit des Bundesrats zeigen einmal mehr die Notwendigkeit von verbindlichen Sorgfaltspflichten für Rohstoffhändler bezüglich Geschäften mit politisch exponierten Personen. Mit dem Vorschlag für eine künftige Rohstoffmarktaufsichtsbehörde zeigt Public Eye, wie eine solche Aufsicht für klare Regeln und griffige Massnahmen sorgen könnte.

Zitiervorschlag: Andreas Missbach (2021). Standpunkt: Bern, we have a problem!. Die Volkswirtschaft, 31. Mai.