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Wie engagiert sich die Schweiz im Rohstoffsektor?

Der Abbau und der Handel von Rohstoffen sorgen für Diskussionen. Der Bund nimmt seine Verantwortung wahr, indem er ein international koordiniertes Vorgehen initiiert und unterstützt, namentlich in Richtung mehr Transparenz.
Die Konzernverantwortungsinitiative hat in der Schweiz eine breite öffentliche Debatte ausgelöst. Abstimmungsplakat im Wallis. (Bild: Keystone)

Die Schweiz zählt gemäss den neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik von März 2021 rund 900 Rohstoffhandelsunternehmen, die im Inland etwa 10’000 Mitarbeitende beschäftigen. Der Rohstoffhandel geht naturgemäss mit hohen Transaktionsvolumen einher, wobei die Waren meist gar nie in die Schweiz gelangen. Drei Viertel dieser Arbeitsplätze finden sich in den drei Kantonen Genf (44%), Zug (21,4 %) und Tessin (9,5 %). Hinzu kommen mit dem Rohstoffhandel zusammenhängende Tätigkeiten wie die Zertifizierung, der Transport und die Finanzierung.

Die Debatte zur Konzernverantwortungsinitiative im vergangenen Herbst hat gezeigt: Die Führungsrolle der Schweiz im Rohstoffhandel bringt Verantwortlichkeiten mit sich. Tatsächlich finden sich im Rohstoffsektor eine Reihe von Risikofaktoren: So operieren die Rohstoffhändler mit hohen Summen und in Ländern, in denen die Governance und die Standards mitunter schwach ausgeprägt sind. Zudem arbeiten sie mit Staatsbetrieben, Beamten oder ausländischen Vermittlern in komplexen Wertschöpfungsketten zusammen. Damit einher gehen verschiedene Risiken – von schlechten Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, Umweltschäden, Korruption, Geldwäscherei bis zur Finanzierung krimineller Aktivitäten.

In der Rohstoffbranche braucht es deshalb unmissverständliche Vorschriften zur Unternehmensverantwortung, zu den Menschenrechten. Diese Regeln schaden der Handelstätigkeit nicht – im Gegenteil: In Ländern, in denen die Menschenrechte respektiert und verteidigt werden, kann sich eher eine starke, nachhaltige Wirtschaft entwickeln. Ausserdem liegt es im Interesse der Schweiz, die Integrität ihres Wirtschafts- und Finanzsektors – und damit ihren guten Ruf – zu stärken.

Der Trend in der Branche geht klar in Richtung mehr Transparenz und Sorgfalt. Die Rohstoffhändler haben ihre Geschäftspraktiken bereits entsprechend angepasst: Zum Beispiel haben Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Kantone einen Leitfaden [1] zur Anwendung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte im Rohstoffhandelssektor erstellt, der von den Unternehmen nun umgesetzt wird. In der Botschaft zur Konzernverantwortungsinitiative schrieb der Bundesrat, er erwarte von den in der Schweiz ansässigen Unternehmen, dass sie ihre Verantwortung im Bereich der Menschenrechte und der Umwelt in Übereinstimmung mit den internationalen Normen bei allen ihren Aktivitäten weltweit wahrnähmen. Die Schweiz achtet zudem darauf, dass die schweizerischen Unternehmen denselben Vorschriften unterliegen wie ihre Mitbewerber auf den internationalen Märkten. Somit bildet eine Kombination aus bindenden und nicht bindenden Massnahmen den Rahmen für die Umsetzung guter Geschäftspraktiken.

Koordiniertes Vorgehen


Der Bundesrat hat bereits 2013 im Grundlagenbericht Rohstoffe auf die Risiken in der Branche hingewiesen. Kurz zuvor war eine interdepartementale Plattform ins Leben gerufen worden. Sie dient den Bundesämtern dazu, den Informationsfluss im Bereich Rohstoffe zu fördern, ein Kompetenznetzwerk aufzubauen und so ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen. Der Grundlagenbericht und die Handlungsansätze sind 2018 aktualisiert worden, um den wichtigsten Trends und den seit 2013 erzielten Fortschritten Rechnung zu tragen. In dem Bericht[2] aus dem Jahr 2018 werden 16 Empfehlungen abgegeben, die unter anderem attraktive Rahmenbedingungen, die Entwicklung guter Geschäftspraktiken durch die Unternehmen, die Förderung des Dialogs mit und zwischen den Beteiligten, ein besseres Verständnis der Risiken und die schnellere Erkennung aufkommender Trends zum Gegenstand haben. Ein am 21. April 2021 veröffentlichter Bericht[3] beschreibt die bisher erzielten Fortschritte. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf drei Schlüsselbereiche: den Goldsektor, die Handelsfinanzierung und die Transparenz von Zahlungen an staatliche Stellen.

Zunächst zum Goldsektor: Unter der Federführung der Bundesverwaltung haben die wichtigsten Raffinerien und NGOs über mögliche Massnahmen zur Verbesserung der Transparenz in der Branche diskutiert. Eine Massnahme wurde bereits umgesetzt: Um die Rückverfolgbarkeit der Warenflüsse, die Transparenz der Statistiken und die Wirksamkeit der Kontrollen verbessern, unterscheidet die Schweiz in der Zollstatistik seit Anfang 2021 zwischen verschiedenen Arten von Minengold und raffiniertem Gold.

Die Schweiz hat darüber hinaus in der Weltzollorganisation einen in dieselbe Richtung gehenden Vorschlag unterbreitet. Sollten sich deren Mitgliedsstaaten dem Vorschlag, der auch von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterstützt wird, anschliessen, wird die neue zolltarifliche Klassifizierung im Jahr 2027 weltweit in Kraft treten. Bereits in Kraft ist seit Anfang Jahr die neue EU-Verordnung zu Konfliktmineralien. Diese Verordnung dient der Schweiz als Grundlage für die Umsetzung des Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative in Bezug auf Sorgfalts- und Transparenzpflichten.

Die Umsetzung der verschiedenen Massnahmen und ihre Auswirkungen müssen nun zusammen mit der Industrie und den NGOs überwacht werden – was eine der grössten Herausforderungen darstellen wird. Denn deren Wirksamkeit hängt davon ab, ob in allen Ländern dieselben hohen Standards angewandt werden. Das hat auch die London Bullion Market Association (LBMA) erkannt – ein Zusammenschluss von verschiedenen auf der «Good Delivery»-Liste geführten Raffinerien: Sie fordert die Sitzstaaten von internationalen Raffineriezentren auf, Massnahmen zur Gewährleistung der Integrität und der Transparenz von Produktionsketten zu ergreifen.

Nennenswert ist auch die vom Parlament im März 2021 beschlossene Änderung des Geldwäschereigesetzes (GWG), die das Zentralamt für Edelmetallkontrolle als Aufsichtsbehörde für Handelsprüfer vorsieht – also für jene Unternehmen, die mit der Bestimmung des Edelmetallgehalts im Erz betraut sind.

Verantwortungsvoller Handel


Fortschritte wurden auch bei der Handelsfinanzierung erzielt, wo allein in der Schweiz über 1200 Personen arbeiten. Rund 20 Banken, die sich insbesondere auf die Regionen Genf und Zürich verteilen, verfügen in diesem Bereich über grosses Know-how. Sie unterstützen die Handelsunternehmen direkt, indem sie ihnen Garantien und liquide Mittel gewähren. Die Verbindung von Handel und Finanzierung ist eine der tragenden Säulen des Schweizer Rohstoffsektors.

Die grosse Bedeutung, die die Schweiz in der Finanzierung dieser Geschäfte hat, birgt sowohl Risiken als auch Chancen. In Erfüllung eines parlamentarischen Vorstosses[4] hat der Bundesrat die Wirksamkeit des gesetzlichen Rahmens zur Geldwäschereibekämpfung im Rohstoffsektor untersucht. Darin wird die Rohstoffhandelsbranche aufgefordert, Leitlinien zu entwickeln, um die teilweise bereits bestehenden Verfahren zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten zu stärken. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) verfolgt diese Entwicklungen, und es werden bereits Leitlinien ausgearbeitet. Eine Herausforderung für die im Rohstoffhandel tätigen Banken sind die Ende 2017 vom Basler Ausschuss verabschiedeten internationalen Standards. Diese könnten dazu führen, dass den Banken zusätzliche, möglicherweise ungerechtfertigte Kosten entstehen. Dieser Umstand wird derzeit im Rahmen der Umsetzung der neuen Standards in der Schweiz diskutiert.

Internationale Richtlinien


Bei der Schaffung von Standards zur Förderung der verantwortungsvollen Unternehmensführung im Rohstoffsektor spielt auch die Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (EITI) eine wichtige Rolle. Die Vorschriften über die Veröffentlichung von Unternehmenszahlungen zugunsten von EITI-Mitgliedsstaaten wurden 2019 verschärft und traten im Januar 2020 in Kraft. Konkretisiert wurden diese Verpflichtungen in den im August 2020 veröffentlichten Reporting Guidelines for Companies Buying Oil, Gas and Minerals from Governments.

Idealerweise sollten die in der Schweiz ansässigen Handelsunternehmen diese Richtlinien freiwillig umsetzen, was die beiden grössten Akteure Glencore und Trafigura bereits tun. Da die Schweiz die Transparenz auch ausserhalb der EITI-Mitgliedsstaaten verbessern möchte, unterstützt sie – zusammen mit der EITI – die Entwicklung internationaler Standards innerhalb der OECD. Die ebenfalls von der Schweiz unterstützte Responsible Mining Foundation hat im März 2021 einen Bericht über die Transparenz im Handel mit mineralischen Rohstoffen veröffentlicht.[5] Darin ist beschrieben, welche Fortschritte 25 Unternehmen in Bezug auf die Sorgfalts- und Transparenz­pflichten erzielt haben. Fazit der Autoren: Die Unternehmen müssen die Probleme im Bereich des Schutzes der Menschenrechte, der Korruptionsbekämpfung und der Transparenz ihrer Zahlungen an staatliche Stellen systematischer angehen.

Des Weiteren verpflichtet das Obligationenrecht die im Bereich des Rohstoffabbaus tätigen Schweizer Grossunternehmen seit diesem Jahr dazu, über ihre Zahlungen an staatliche Stellen Bericht zu erstatten. Das Parlament hat eine Bestimmung im Obligationenrecht ergänzt, die es dem Bundesrat im Rahmen eines international abgestimmten Vorgehens gestattet, diese Verpflichtung auch auf Rohstoffhandelsunternehmen auszuweiten.

Wie geht es weiter?


Am Rohstoffhandelssektor führt auch künftig sowohl schweiz- als auch weltweit kein Weg vorbei. Die Branche wird naturgemäss immer wieder auf geopolitische und regulatorische Herausforderungen reagieren müssen, die sich mitunter stark von Land zu Land unterscheiden. Gleichzeitig muss sie die Verbindung zwischen den Produzenten und Konsumenten aufrechterhalten. Der internationale Trend geht in Richtung einer Angleichung und einer wirksamen Umsetzung der Standards. Die Fragmentierung und die Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen zwischen den verschiedenen Ländern abzubauen, bleibt aber nach wie vor eine grosse Herausforderung. Die Schweiz beteiligt sich aktiv an internationalen Initiativen, die unter anderem unter dem Dach der OECD, der EITI und der LBMA angesiedelt sind. Sie setzt sich ausserdem für mehr Transparenz ein, wie ihr Vorschlag in der Weltzollorganisation zeigt.

Es ist wichtig, den Rohstoffsektor im Dialog mit den Beteiligten kontinuierlich zu beobachten und zu analysieren. Denn so lassen sich neue Herausforderungen identifizieren, die bewältigt werden müssen, damit die Branche auch weiterhin zum Wohlstand der Schweiz beitragen und an der Entwicklung aller Akteure der Produktionskette partizipieren kann. Und – last, but not least – ist es für die Schweiz auch entscheidend, die Wirkung ihrer Massnahmen zu messen. Die Bedingungen des Rohstoffzugangs, die Transparenz der Finanzierungen, ein gerechtes Steuersystem, die Umweltbelastung, die Energiewende und die Folgen der Corona-Pandemie – alle diese Punkte dürften auf der Agenda der Regierungen und der zivilgesellschaftlichen Organisationen bleiben. Hierfür werden nicht zuletzt die verschiedenen Bürgerbewegungen sorgen, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben.

  1. Siehe Commodity-trading.org[]
  2. Bundesrat (2018). []
  3. Bundesrat (2021). []
  4. Postulat 17.4204: Reicht die Bankenaufsicht, um die Gefahren der Geldwäscherei im Rohstoffsektor einzudämmen? []
  5. Responsible Mining Foundation (2021). []

Bibliographie

Zitiervorschlag: Frédéric Chenais, Julie Tomka, Daniel Zulauf, (2021). Wie engagiert sich die Schweiz im Rohstoffsektor. Die Volkswirtschaft, 31. Mai.