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UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: Bilanz nach zehn Jahren

Die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte feiern ihr zehnjähriges Bestehen. Was der Bund diesbezüglich unternommen hat, zeigt der Nationale Aktionsplan: Zu den Massnahmen gehört auch ein Forum zur Förderung von guten Praktiken und zur Sensibilisierung von Unternehmen in der Schweiz.
Die Schweiz engagiert sich im Kampf gegen Zwangs- und Kinderarbeit: Das erste Schweizer Forum «Wirtschaft und Menschenrechte» soll konkrete Handlungsansätze aufzeigen, wie Unternehmen die Menschenrechte besser berücksichtigen können. (Bild: Adobe Stock)

Im Juni 2021 jährte sich die Verabschiedung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (UNO-Leitprinzipien) zum zehnten Mal. Bei diesen Leitprinzipien handelt es sich um einen weltweit anerkannten Referenzrahmen, der Regierungen und Unternehmen dabei unterstützt, die Menschenrechte in ihren Aktivitäten einzuhalten.

Den Höhepunkt der Feierlichkeiten stellte das Projekt «UNGP10+» (United Nations Guiding Principles 10+) dar. Dabei wurde auf die Umsetzung der Leitprinzipien in diesen ersten zehn Jahren zurückgeblickt und eine Roadmap für die nächsten zehn Jahre festgelegt. Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass die Länder weltweit ähnliche Vorstellungen darüber haben, welche Herausforderungen es noch zu bewältigen gilt: So ist namentlich die Prävention zu wenig wirksam, die Opfer sind beim Zugang zu Rechtsmitteln mit Hindernissen konfrontiert, und bei den politischen Massnahmen der Regierungen sowie bei den Unternehmenspraktiken mangelt es an Kohärenz.

Wo steht die Schweiz?


Als eines der ersten Länder hat die Schweiz 2016 einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien verabschiedet. Dieser wurde 2020 überarbeitet und an den sich stetig verändernden Kontext angepasst. Der Bund legt in seiner Strategie den Schwerpunkt auf die Sensibilisierung der Unternehmen und auf Schulungen zum Thema menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungsverfahren.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) wird gemeinsam mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) Sensibilisierungsworkshops und Schulungen für die Privatwirtschaft organisieren. Die entsprechende Kampagne stützt sich auf eine Ende 2020 durchgeführte Bedarfsabklärung und wird zwischen 2021 und 2023 mittels vom Bund beauftragter Fachleute durchgeführt.

Das erste Schweizer Forum «Wirtschaft und Menschenrechte» vom 14. September 2021 findet ebenfalls im Rahmen dieser Massnahmen statt. Es soll konkrete Handlungsansätze aufzeigen, wie die Menschenrechte besser berücksichtigt werden und einen Austausch über gute Praktiken und die Herausforderungen in diesem Bereich ermöglichen. Dieser interaktive Anlass umfasst verschiedene Panels und Praxisworkshops zu aktuellen Themen wie «fragilen» Kontexten (Konflikt, gescheiterter Staat usw.), Kinderarbeit, Zwangsarbeit und verantwortungsvoller Unternehmensführung in der chinesischen Region Xinjiang. Ein Workshop richtet sich speziell an kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die einen Grossteil der Schweizer Wirtschaftsstruktur ausmachen. Der Kurs soll ihnen vermitteln, wie sie ihr Unternehmen verantwortungsvoll führen können.

Als weitere Massnahme des Bundes ist die Schweiz der Allianz 8.7 beigetreten, einer globalen Partnerschaft zur Bekämpfung von Zwangsarbeit, Menschenhandel und Kinderarbeit. Diese Allianz agiert als Plattform zur Sensibilisierung für diese Themen. Dank diesem Netzwerk wird die Schweizer Privatwirtschaft ihre Kenntnisse vertiefen und ihre Kooperationen ausbauen können.

Menschenrechte und nachhaltige Wirtschaft


Die verschiedenen Massnahmen des Bundes zeigen, dass sich die Schweiz auch zehn Jahre nach Verabschiedung der UNO-Leitprinzipien engagiert. Sensibilisierungsmassnahmen zum Schutz der Menschenrechte in der Wirtschaft sind von zentraler Bedeutung. Denn gute Praktiken und freiwillige Initiativen finden bei vielen Unternehmen, vor allem bei KMU, noch zu wenig Beachtung. Die Massnahmen des Bundes ergänzen auch die Entwicklungen bei den Rechtsvorschriften, mit denen ein Teil der Schweizer Wirtschaft konfrontiert ist, und begleiten die Unternehmen angesichts des sich rasch wandelnden internationalen Kontexts (siehe Kasten).

Die Einhaltung der Menschenrechte ist für eine nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft unerlässlich und wird für Unternehmen, die in die internationalen Wertschöpfungsketten eingebunden sind, immer wichtiger. Die Sensibilisierungsmassnahmen des Bundes sollen die Unternehmen in der Schweiz beim Aufbau einer verantwortungsvollen Unternehmensführung unterstützen, was zweifelsohne zu ihrem Erfolg beitragen wird.

Zitiervorschlag: Amina Joubli, Emilie Caroline Fitchett, (2021). UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: Bilanz nach zehn Jahren. Die Volkswirtschaft, 30. August.

Wirtschaft und Menschenrechte: Entwicklung der Rechtsvorschriften

In der Schweiz wollte die im Oktober 2016 eingereichte Konzernverantwortungsinitiative gesetzliche Pflichten zur Verantwortung der Unternehmen in den Bereichen Menschenrechte und Umwelt verankern. Sie scheiterte im November 2020 allerdings am Ständemehr. Nach der Ablehnung hat das Parlament einen indirekten Gegenvorschlag genehmigt, der Anfang 2022 in Kraft treten könnte. Er sieht eine Berichterstattungspflicht bezüglich nicht finanzieller Belange sowie eine Sorgfalts- und Transparenzpflicht bezüglich Mineralien aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit vor.

Die Europäische Union (EU) erarbeitet zurzeit eine Richtlinie zur Rechenschaftspflicht von Unternehmen, die unter anderem eine obligatorische Sorgfaltspflicht vorsieht. Auch in mehreren europäischen Ländern gibt es inzwischen Gesetze und Gesetzesentwürfe zur Sorgfaltspflicht, so etwa in Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden.