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Freihandelsabkommen: Onlinehandel gewinnt an Bedeutung

Der elektronische Handel überwindet Landesgrenzen in Sekundenschnelle. In Freihandelsabkommen spielen daher der Datenschutz und ein offenes Internet eine immer wichtigere Rolle.
Flugzeug des Paketdienstes DHL am Euro Airport in Basel. (Bild: Keystone)

In der Schweiz hat sich der grenzüberschreitende Onlinehandel in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt (siehe Abbildung). Technisch gesehen werden die Abläufe im E-Commerce immer komplexer: Wer ein Produkt im Internet kauft, nimmt zahlreiche vorgelagerte Dienstleistungen in Anspruch. Algorithmen machen Kaufempfehlungen, digitale Assistenten beantworten Fragen, und bezahlen kann man beispielsweise per Kreditkarte, Banküberweisung oder in Form von Kryptowährungen.

An dieser «digitalen Realität» kommen auch zwischenstaatliche Handelsabkommen nicht mehr vorbei: Neuere Abkommen enthalten deshalb beinahe ausnahmslos Bestimmungen zu E-Commerce, oft auch als «Digital Trade» bezeichnet. Damit wollen die Vertragspartner die Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden digitalen Handel erhöhen und einen verlässlichen Rechtsrahmen für die Wirtschaftsakteure im Bereich des E-Commerce etablieren.

Weltweit sind vor allem zwei Tendenzen festzustellen: Einerseits werden die Regeln zu E-Commerce in umfassende Freihandelsabkommen integriert, andererseits werden vermehrt eigenständige «Digital Trade Agreements» – wie beispielsweise im vergangenen Jahr zwischen den USA und Japan (U.S.-Japan Digital Trade Agreement) – abgeschlossen.

Grenzüberschreitende Onlineeinkäufe in der Schweiz (Privatkonsum, 2014–2020)




Quelle: Handelsverband.swiss / Die Volkswirtschaft

Die Schweiz hat bisher mit Japan, dem Golfkooperationsrat[1], Costa Rica, Guatemala, Kolumbien, Panama, Peru und der Türkei Regeln zum elektronischen Handel ausgehandelt. Allerdings sind diese Bestimmungen wenig umfassend. Die meisten dieser Abkommen schloss die Schweiz im Rahmen der Europäische Freihandelsassoziation (Efta) ab. Zur Efta zählen nebst der Schweiz auch Island, Liechtenstein und Norwegen. Mit ihren wichtigsten Handelspartnern – der EU, den USA, China und dem Vereinigten Königreich – hat die Schweiz bisher noch keine Regelungen für den elektronischen Handel vereinbart.

Plurilaterale Verhandlungen


Die multilateralen Handelsabkommen der Welthandelsorganisation (WTO) stammen aus den Anfängen der digitalen Transformation – entsprechend sind die Regeln lückenhaft. Beispielsweise bezieht sich das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Gats) aus dem Jahr 1994 zwar auch auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen, allerdings sind die Regeln wenig spezifisch für den elektronischen Handel, und diverse Aspekte fehlen.

Seit 2019 verhandeln rund 80 Staaten im Rahmen der WTO auf plurilateraler Ebene über neue völkerrechtliche Regeln zu E-Commerce, darunter auch die Schweiz. Ein Abschluss der Verhandlungen ist aber noch nicht in Sicht.

Modelltext für die Schweiz


Um für die digitale Zukunft gerüstet zu sein, entwickeln die Efta-Staaten derzeit einen umfassenden E-Commerce-Modelltext. Die Schweiz ist in dieser Arbeitsgruppe durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) vertreten, welches die Arbeiten mit anderen Bundesstellen koordiniert. Die Vorlage soll bei künftigen Verhandlungen oder bei Aktualisierungen von bestehenden Freihandelsabkommen zum Einsatz kommen. Sie orientiert sich an existierenden Handelsabkommen und den laufenden plurilateralen Verhandlungen.

In erster Linie will der Modelltext mit griffigen Regeln zu erhöhter Rechtssicherheit beitragen und Handelshürden abbauen. So schreibt der Entwurf beispielsweise vor, das Internet müsse allen Nutzern offenstehen (Netzneutralität). Ein solcher offener und diskriminierungsfreier Internetzugang ist eine Grundvoraussetzung für E-Commerce.

Weiter verpflichten sich die Vertragspartner, den freien, grenzüberschreitenden Datenfluss zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass Daten im Zusammenhang mit elektronisch abgewickelten Geschäften elektronisch ausgetauscht werden dürfen. Erhöhte Vorsicht ist bei Personendaten geboten: Hier wird von den Parteien ein «angemessenes Schutzniveau» verlangt. Zudem soll keine Partei das Recht haben, den geografischen Speicherort für Daten vorzuschreiben. Ausnahmen sind möglich, denn auch in der Schweiz müssen gewisse sensible Daten im Inland gespeichert werden.

Quellcodes schützen


Der Modelltext enthält auch Regelungen zu elektronischen Verträgen im Geschäftsverkehr. Davon ausgeschlossen sind aber Dokumente, die nach der Rechtsordnung des betreffenden Staates zwingend schriftlich erfolgen müssen, wie beispielsweise in der Schweiz der Erwerb von Wohneigentum.

Schliesslich schützt der Modelltext auch Quellcodes: Grundsätzlich darf niemand gezwungen werden, Quellcodes oder Algorithmen offenzulegen. Ausnahmen von dieser Regel sind aber erlaubt – etwa im Wettbewerbsrecht, beim geistigen Eigentum oder im öffentlichen Beschaffungswesen.

Abschliessend lässt sich sagen: Zwischenstaatliche Regeln zum elektronischen Handel tragen dazu bei, den grenzüberschreitenden Onlinehandel weiter zu fördern. Mit dem E-Commerce-Modelltext ist die Schweiz bestens für die digitale Zukunft gerüstet, denn damit verfügt sie über ausreichend Flexibilität, um allein oder im Verbund mit den Efta-Staaten auch eigenständige «Digital Trade Agreements» abschliessen zu können. Das Vereinigte Königreich oder die USA könnten dereinst vielversprechende Partner werden, mit denen die Schweiz umfassende Regeln zu E-Commerce vereinbaren könnte.

  1. Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Saudi-Arabien, Oman, Katar und Kuwait. []

Zitiervorschlag: Philippe Rocheray (2021). Freihandelsabkommen: Onlinehandel gewinnt an Bedeutung. Die Volkswirtschaft, 04. Oktober.