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Die Bank im Hosensack

Nach zögerlichem Start ist «Mobile Banking» in der Schweiz angekommen: Inzwischen gibt es mehr Logins auf dem Smartphone als im klassischen E-Banking. Statt auf Bankfilialen setzen Neobanken wie Revolut daher ausschliesslich auf das Handy.
Immer mehr Bankgeschäfte lassen sich über eine App ausführen. (Bild: Shutterstock)

Früher gingen wir in eine Bankfiliale, heute loggen wir uns auf einer App am Smartphone ein: In der Schweiz nutzt bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung Mobile Banking.[1] Die durchschnittliche Wachstumsrate der Log-ins ins Mobile Banking beträgt seit 2018 jährlich 46 Prozent (siehe Abbildung).

Inzwischen liegt die Anzahl Smartphone-Log-ins bereits über dem klassischen E-Banking am Lap- oder Desktop. Erstaunlicherweise wird aber – trotz der praktischen Scan- und Pay-Funktion am Handy – lediglich jede fünfte Transaktion über das Smartphone gemacht. Über 80 Prozent der Transaktionen werden weiterhin im E-Banking ausgelöst. Durch die Einführung der QR-Codes auf den Einzahlungsscheinen werden künftig aber wohl vermehrt Transaktionen über das Smartphone durchgeführt. Hingegen schauen sich viele Mobile-Banking-Nutzende mindestens wöchentlich ihren Kontostand in der mobilen App an.

Der Siegeszug des Mobile Banking liess in der Schweiz eher lange auf sich warten. So lag der Anteil von Mobile-Banking-Nutzern im Jahr 2016 erst bei 13 Prozent.[2] Einerseits gelang es vielen traditionellen Banken lange nicht, ihren Kundinnen und Kunden den Zusatznutzen von Mobile-Banking-Apps zu verdeutlichen. Andererseits gab es Sicherheitsbedenken seitens der Kundschaft. Zum Siegeszug verholfen haben dem Mobile Banking auch die neuen sogenannten Neobanken.

Mobile- und E-Banking-Log-ins in der Schweiz (2018–2020)

Anmerkung: Median; N= 17 Banken.

Quelle: Dietrich, Leutenegger und Bayley (2021) / Die Volkswirtschaft

Neobanken gewinnen an Terrain

Die Neobanken – meist junge Techfirmen – gelten als Vorreiter der digitalen Transformation von Geschäftsmodellen im Banking. Weil sie in der Regel über keine Bankfilialen verfügen, ist auch das entsprechende Preismodell deutlich günstiger als jenes der klassischen Banken.

Derzeit beschränken sich die Angebote von Neobanken vorwiegend auf Basisdienstleistungen wie den Zahlungsverkehr. Einige Anbietende weiten das Angebot aber bereits auf komplexere Produktfelder wie die Altersvorsorge aus. Andere setzen auf Ökosysteme, die auch branchenfremde Angebote wie beispielsweise Versicherungsdienstleistungen oder den Zugang zu Flughafenlounges einschliessen.

Momentan zählen Neobanken in der Schweiz gemäss unseren Schätzungen und basierend auf Angaben der einzelnen Marktteilnehmer rund 600’000 Kundinnen und Kunden. Den grössten Marktanteil hat derzeit das britische Fintech Revolut.[3] Aber auch Schweizer Anbieter wie Neon, Zak, Yuh, Yapeal oder Flowbank verzeichnen hohe Wachstumsraten.

Der durchschnittliche Neobank-Nutzer ist jung, männlich, gut gebildet und einkommensstark, wie eine Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug und des Beratungsunternehmens TI&M aus dem Jahr 2021 zeigt.[4] Allerdings gibt derzeit erst weniger als 1 Prozent der Kundschaft eine Neobank als ihre Hauptbank an. Wie man aus dem diesbezüglich weiter fortgeschrittenen Markt von Grossbritannien weiss, kann sich dies über die nächsten Jahre aber rasant ändern.

Die Gründe für die Nutzung von Neobanken sind gemäss Kundenangaben geringere Kosten und ein besseres Nutzererlebnis («User Experience»). Aus Sicht der herkömmlichen Banken ist dieser Befund zumindest auf den ersten Blick beruhigend, denn beide Faktoren sind grundsätzlich durch sie kopierbar. Es stellt sich aber natürlich die Frage, ob sich die herkömmlichen Institute auch tatsächlich in diese Richtung bewegen werden. Der Druck auf Preise und Margen im einfachen Bankgeschäft dürfte für klassische Banken aber auf alle Fälle steigen.

Zahlen mit dem Handy

Das Smartphone wird auch je länger, je häufiger für den «direkten» Bezahlvorgang eingesetzt («Mobile Payment»). Dabei fristete das Zahlen über eine App an der Kasse, im Onlineshop, unter Freunden oder beim Bezahlen der Parkuhr hierzulande lange Zeit ein Nischendasein. Die Entwicklung im Bereich des mobilen Bezahlens verlief zu Beginn ähnlich langsam wie jene beim Mobile Banking.

Mobile Payment ist in der Zwischenzeit aber in der breiten Bevölkerung angekommen und dürfte zukünftig weiter stark zulegen. Im Juli 2021 waren bereits 3,5 Millionen Einwohner in der Schweiz – dies entspricht fast der Hälfte der Bevölkerung über 12 Jahre – beim inländischen Marktführer Twint registriert. Neuste Zahlen zeigen, dass Mobile Payment damit in der Schweiz weit mehr genutzt wird als in den Nachbarländern Deutschland oder Österreich.[5]

Twint kommt in der Schweiz auf einen Marktanteil von 75 Prozent. Das restliche Viertel teilen sich internationale Branchenriesen wie Apple, Paypal, Samsung oder Google auf. Der Erfolg von Twint mag erstaunen, denn oft hiess es, nationale Marktteilnehmer hätten gegenüber den grossen Techfirmen keine Chance. Anbieter wie Twint oder ähnliche Bezahllösungen in Dänemark, Schweden oder Spanien belegen aber das Gegenteil.

In Zukunft wird Mobile Payment weiterhin an Bedeutung gewinnen: Für das Jahr 2022 schätzen wir, dass rund 390 Millionen Transaktionen via Mobile Payment gemacht werden.[6] Dies entspricht einem Wachstum von über 60 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Mobile Payment käme somit im Jahr 2022 bei den Transaktionen auf einen Marktanteil von 9 Prozent. Mobile Bezahllösungen und auch Debitkarten werden künftig dabei vor allem auf Kosten von Bargeld weiterhin an Bedeutung gewinnen.[7]

Bankfiliale der Zukunft

Insgesamt lässt sich festhalten: Das Kundenverhalten hat sich schon seit geraumer Zeit verändert, und die Nutzung von digitalen Dienstleistungen nimmt zu. Es gibt viele Beispiele im Markt, dass eine solche Entwicklung in einer ersten Phase eher evolutionär und linear verläuft. Nicht zuletzt die Erfahrungen im Bereich Mobile Banking oder Mobile Payment zeigen aber auf, dass nach dem Erreichen einer gewissen Schwelle die Marktdurchdringung rasch voranschreiten kann. Ab diesem Zeitpunkt verlaufen die Entwicklungen nicht mehr linear. Die Pandemie hat die Trends dabei noch beschleunigt.

Das Smartphone entwickelt sich zum zentralen Zugang für Bankgeschäfte: Vor allem einfache Routinetransaktionen werden künftig fast ausschliesslich schnell und einfach über das Smartphone erledigt. Das Smartphone wird also für viele Anwendungsfälle eine Art «Bankfiliale der Zukunft». Für komplexe Themen – zum Beispiel eine Beratung für eine Hypothek oder eine Vorsorge – wird hingegen auch mittel- bis langfristig weiterhin ein Berater oder eine Beraterin für ein klärendes Gespräch beigezogen werden.

Die Bedürfnisse der Kundschaft sind allerdings heterogen, und es ist schwierig, eindeutige Muster zu erkennen. Dies ist ein typisches Anzeichen dafür, dass sich das Banking in einer Transformationsphase befindet. Für die traditionellen Institute bedeutet dies: Sie müssen sowohl die alten Verhaltensmuster von Kunden bedienen als auch Kunden mit neuen Bedürfnissen und Gewohnheiten gerecht werden– vorausgesetzt, sie möchten wie heute die Gesamtheit aller Kunden bedienen.

  1. Dietrich, Leutenegger und Bayley (2021). []
  2. Dietrich, Duss und Gysel (2017). []
  3. IFZ und ti&m (2021). []
  4. IFZ und ti&m (2021). []
  5. Twint (2021). []
  6. Dietrich und Wernli (2021a). []
  7. Dietrich und Wernli (2021b). []

Literaturverzeichnis

 

 

 

 

 

 


Bibliographie

 

 

 

 

 

 

Zitiervorschlag: Andreas Dietrich (2021). Die Bank im Hosensack. Die Volkswirtschaft, 22. Dezember.