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Übung macht den CEO

Unternehmertum setzt Mut voraus. Und Mut kann man lernen, wie das «Company Programme» mit erfolgreichen Jungunternehmen von Schülern beweist.

Übung macht den CEO

Finale des Company Programme im Hauptbahnhof Zürich: Schüler des Gymnasiums Schiers GR präsentieren ihr Gewürzöl «Geniöl». (Bild: Young Enterprise Switzerland)

Wie wird man in der Schweiz Unternehmer oder Unternehmerin? Auf diese Frage gibt es viele verschiedene Antworten. Etwas, was aber bestimmt nicht fehlen darf – darin sind sich wahrscheinlich alle einig –, ist Mut. Es gehört eine grosse Portion Entschlossenheit dazu, sich selbstständig zu machen, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und Risiken einzugehen. Doch lässt sich Mut fördern? Und kann man Unternehmertum überhaupt lernen? Was wäre, wenn wir der nächsten Generation eine Portion Mut auf den Weg geben könnten, sodass ein eigenes Unternehmen zu gründen für sie ebenso realistisch ist, wie in einem angestellt zu sein?

Wenn wir uns überlegen, wie wir Schülerinnen und Schülern Mut zum Unternehmertum mit auf den Weg geben können, müssen wir uns zuerst fragen, wie Mut gestärkt werden kann. Einerseits ist es dazu sicher hilfreich, wenn man in einem Thema über mehr Wissen verfügt. Andererseits ist uns allen klar, dass Wissen allein nicht ausreicht. Auch Erfahrungen und Erlebnisse sind äusserst wichtig: Was ich bereits einmal gemacht habe, verstehe ich besser und kann es besser anwenden. Wichtig ist zudem, dass man seine Kompetenzen und Fähigkeiten gut kennt und sie einschätzen und einsetzen kann.

Diese drei Punkte – Wissen, Erfahrung und Fähigkeiten – zum Thema Unternehmertum zu vermitteln, hat sich die Non-Profit-Organisation Young Enterprise Switzerland (YES) zum Ziel gesetzt. Wir bieten ein praxisorientiertes Bildungsprogramm namens «Company Programme» an, in welchem Schülerinnen und Schüler ein eigenes, reales Miniunternehmen gründen, Produkte oder Dienstleistungen anbieten und diese Firma über ein Jahr lang führen (siehe Kasten).

Keine Simulation, sondern echte Kunden, echte Produkte, echtes Geld: ganz nach dem Motto «Learning by Doing». Was die Jugendlichen anbieten möchten, entscheiden sie selbst: Von Taschen aus den Überresten der Sonnenstorenproduktion über einen genüsslichen Powerriegel aus Insekten bis hin zu professionellen Visualisierungen von Immobilien ist alles dabei. Das Programm begleitet die Teilnehmenden von der Gründung bis zur Liquidation des Unternehmens, welche nach dem Programmjahr erfolgt. Selbstverständlich dürfen die Schülerinnen und Schüler das Unternehmen auch weiterführen, jedoch ist das neben den anstehenden Maturaprüfungen oft zeitlich eine Herausforderung. Nichtsdestotrotz werden rund vier Unternehmen pro Jahr erfolgreich weitergeführt und teils sogar in eine GmbH umgewandelt.

Unternehmertum live erleben


Konkretes und praxisnahes Wissen erlangen die Teilnehmenden beispielsweise im Workshop «Unternehmerische Grundlagen», wo sie Basiswissen über Finanzen, Marketing und Verkauf mit auf den Weg bekommen. Das Wissen wird interaktiv durch verschiedene Rollenspiele, Beispiele von ehemaligen Miniunternehmen und durch Fallstudien aufgearbeitet. Der Workshop wird von ehemaligen Teilnehmenden, sogenannten YES-Alumni, geleitet, welche durch YES geschult wurden. Ausserdem werden Experten unserer Partnerunternehmen bei gewissen Modulen zu Hilfe gezogen. Die Jugendlichen lernen so, wie ein Businessplan, ein Geschäftsbericht oder ein Messekonzept aufgebaut sein sollten und wann man diese Dokumente benötigt. Dieses Wissen bietet den Jugendlichen einen guten Grundstein.

Doch wie so oft ist der Schritt von der Theorie zur Praxis grösser, als man denkt. Genau deswegen ist es unentbehrlich, dass die angehenden Unternehmer diese Erfahrungen selbst machen und erleben können. Von einer cleveren Produktidee zu sprechen, ist etwas anderes, als tatsächlich Prototypen zu kreieren, Produzenten zu suchen und das Produkt auf den Markt zu bringen. Einen Messestand zu planen, ist etwas anderes, als mit dem ganzen Team alles zu organisieren, Verkaufsmengen zu planen, den Transport zu koordinieren und den ganzen Tag an einem Stand zu stehen und fremde Leute anzusprechen und zu überzeugen. Den Aufbau eines Geschäftsberichtes zu besprechen, ist etwas anderes, als diesen tatsächlich zu verfassen, die sorgfältig geführte Buchhaltung aufzuzeigen und auf Erfolge und Misserfolge zurückblicken zu können.

Diese Beispiele sind Teil des «Company Programme» und tragen mit dem «Learning by Doing»-Prinzip dazu bei, dass die Jugendlichen ihre eigenen Erfahrungen sammeln können. Dies unterstreicht auch der 17-jährige Teilnehmer Illya Kern, der mit seinem Unternehmen Bambstraw nachhaltige und wiederverwendbare Strohhalme aus Bambus vermarktete: «Es war eine wichtige persönliche Erfahrung, die ich machen durfte. Nicht nur lernte ich, wie wichtig das Zusammenspiel der verschiedenen Unternehmensbereiche ist, sondern ich hatte als Chief Marketing Officer auch den Auftrag, unser Produkt mit genügend Wortgewandtheit, Stil und Attraktivität auf dem Markt zu verkaufen.»

Verantwortung übernehmen


Eine solide Wissensgrundlage, ergänzt durch Erfahrungen, leistet also einen wichtigen Beitrag, bei Schülerinnen und Schülern den Mut zum Unternehmertum zu fördern, wirtschaftliche Zusammenhänge zu vermitteln und sie für Innovation zu begeistern. Letztlich ist es wichtig, dass sich die jungen Menschen befähigt fühlen, dies in ihre spätere Berufswelt zu transferieren – und tatsächlich unternehmerisch zu sein. Hier setzt unser «Company Programme» an und hebt sich gleichzeitig von ähnlichen Bildungsangeboten ab – denn die Schülerfirmen sind echt und weder ein Simulationsspiel noch eine Übungsfirma. So übernehmen die Jugendlichen echte Verantwortung.

Die Teilnehmenden führen ihr eigenes Unternehmen und tragen Verantwortung gegenüber ihren Kunden, der Gesellschaft sowie der Umwelt, den Kapitalgebern und sich selbst. In ihrem Handeln eignen sie sich praktische Fähigkeiten an, lernen, sich selbst und ihr Unternehmen zu präsentieren, vor Publikum aufzutreten und im Team mit verschiedenen Rollen zu arbeiten. So lernen die Jugendlichen, ihre Stärken gekonnt einzusetzen und gemeinsam Schwächen auszugleichen. Aus Erfahrung lässt sich sagen, dass viele der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihres Selbstbewusstseins, ihrer Selbstreflexion und im Teamwork wachsen. «Vor einem Jahr hätte ich mich niemals getraut, so etwas anzupacken. Doch inzwischen habe ich gelernt, dass auch ein ‹einfacher Schüler› wie ich ein CEO sein kann», so Beat Bannwart, ein ehemaliger Miniunternehmer im Programm.

Erfolgreiche Unternehmen entstehen


Ein praxis- und erlebnisorientiertes Schulprogramm kann also Unternehmertum vermitteln und den Mut der Schülerinnen und Schüler stärken, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Oder zu einem späteren Zeitpunkt gar erneut zu gründen. Ein Beispiel dafür ist Nicholas Hänny, CEO von Nikin, einem aufstrebenden Schweizer Modelabel und erfolgreichen Jungunternehmen: «In der Schweiz sind wir eher vorsichtig und gehen nicht gerne Risiken ein. Deswegen war es gut, dass wir dies im Gymnasium in einem geschützten Rahmen lernen konnten.» Ein weiteres erfolgreiches Unternehmen, welches von einem ehemaligen Teilnehmenden gegründet wurde, ist die bekannte Lieferservice-Plattform Eat.ch. Der Mitgründer Reto Graf nahm im Jahr 2000 an dem Programm teil und kann bestätigen: «Die Teilnahme am ‹Company Programme› hat auf jeden Fall grossen Einfluss gehabt. Es hat mir aufgezeigt, dass die Theorie nicht immer eins zu eins in die Praxis umgesetzt werden kann und dass das Führen einer richtigen Buchhaltung um einiges komplexer – und auch spannender – ist.»

Nichtsdestotrotz: Das «Company Programme» fordert die Jugendlichen in vielerlei Hinsicht stark. Über das Jahr werden unzählige Stunden – davon auch viel Freizeit – für das eigene Unternehmen aufgewendet. Doch der Einsatz zahlt sich aus. Eine Studie[1], welche die Wirkung des Programms untersucht hat, zeigte auf, dass sich bei Teilnehmenden, die mehr als 100 Arbeitsstunden in das «Company Programme» investiert haben, die allgemeinen Lernergebnisse, die Schulanwesenheit sowie die Motivation nachweislich verbessert haben.

Wachstumsambitionen


Da YES der Dachorganisation Junior Achievement (JA) Worldwide angehört, ist auch das «Company Programme» Teil eines globalen Netzwerks. In der Schweiz ist es äusserst erfolgreich. Es ist in 19 Kantonen und drei Sprachregionen etabliert – und hat weitere Wachstumsambitionen. Die Vision von YES ist es, dass das «Company Programme» in Zukunft allen Schweizer Jugendlichen auf der Sekundarstufe II, unabhängig davon, welche Schule sie besuchen, als mögliches Angebot bereitsteht.

Nach mehr als 20 Jahren «Company Programme» in der Schweiz ist klar: Unternehmertum kann man nicht aus dem Buch lernen, aber man kann es üben, Erfahrungen sammeln, sich Fähigkeiten aneignen. So gewinnt man nach und nach den Mut, den es braucht, um den grossen Schritt in das Unternehmertum zu wagen.

  1. Innovation Cluster for Entrepreneurship Education [ICEE] (2017). A Summary of the Key Findings From the ICEE Research Project on the Impact of Entrepreneurship Education. []

Zitiervorschlag: Johanna Lauber (2020). Übung macht den CEO. Die Volkswirtschaft, 23. Dezember.

Das Programm in Kürze

Das «Company Programme» ist eines der fünf praxisorientierten Bildungsprogramme von Young Enterprise Switzerland (YES). Es ist für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II im Alter von 16 bis 20 Jahren konzipiert. Insbesondere eignet es sich für Gymnasien und Berufsschulen, die sich auf Yes.swiss für das Programm anmelden können.

Die Teilnehmenden gründen und führen ein reales Miniunternehmen während eines ganzen Schuljahres und nehmen gleichzeitig an einem nationalen Wettbewerb teil. Begleitet werden sie dabei von ihrer Lehrperson, von einem regionalen Programme Manager von YES und von ehemaligen Teilnehmenden (YES Alumni). YES stellt alle Unterlagen für die Durchführung des Programms zur Verfügung, welche als Leitfaden und Basiswissen dienen. Ziel des Programms ist es, den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, Unternehmertum live zu erleben, eigene Erfahrungen zu sammeln und sich selbst für die persönliche und berufliche Zukunft weiterzuentwickeln.